interaktionen

ein kleiner Blog über alles mögliche


Eine kompetenzfokussierte Ethik zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen?

Die gesetzliche Betreuung von Menschen mit einer Psychose ist eine komplexe Aufgabe, die sowohl den Schutz der betroffenen Person als auch die Wahrung ihrer Autonomie und Würde sicherstellen soll. Wie können wir als gesetzliche Betreuer eine Ethik umsetzen, die sowohl den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht wird als auch Zwangsmaßnahmen vermeidet?

 

In diesem Artikel möchten wir uns mit einer konstruktivistischen Herangehensweise beschäftigen, die sich auch an den Ideen des renommierten Wissenschaftlers Heinz von Foerster orientiert. Diese Perspektive ermöglicht es uns, die Sichtweise psychischer Erkrankungen zu erweitern und Menschen mit einer Psychose nicht primär als krank oder defizitär zu betrachten, sondern als individuelle Konstrukteure ihrer Wahrnehmung.

 

 

Ein weiteres Modell, das in diesem Zusammenhang relevant ist, ist das kompetenzfokussierte Modell von Gunther Schmidt. Schmidt betont die Stärken und Ressourcen der betroffenen Person und legt den Fokus auf die Förderung ihrer individuellen Kompetenzen. Indem wir uns auf die vorhandenen Fähigkeiten konzentrieren und gemeinsam mit der betroffenen Person nach Lösungen suchen, können wir ihre Selbstwirksamkeit und Autonomie stärken.

 

Es geht darum, eine vertrauensvolle und respektvolle Beziehung aufzubauen, in der die betroffene Person aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen wird. Durch eine einfühlsame und empathische Kommunikation können wir ihr Vertrauen gewinnen und sie dabei unterstützen, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu artikulieren. Auf dieser Grundlage können wir gemeinsam alternative Wege finden, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen.

 

Die kompetenzfokussierte Betreuung bietet somit einen ethischen Rahmen, der sich an den individuellen Bedürfnissen und Ressourcen der betroffenen Person orientiert. Sie ermöglicht es uns, eine unterstützende Umgebung zu schaffen, in der die betroffene Person in ihrer Autonomie gestärkt wird und eine aktive Rolle in ihrem eigenen Leben einnehmen kann.

 

Psychose als individuelle Wahrnehmungskonstruktion:

 

Bevor wir auf die Rolle der kompetenzfokussierten Betreuung eingehen, ist es wichtig, das Verständnis von Psychose zu erweitern. Im radikalen Konstruktivismus wird betont, dass ein Mensch die Realität an sich nicht objektiv wahrnehmen kann. Stattdessen konstruiert das Gehirn aufgrund individueller Erfahrungen eine subjektive Sichtweise dieser Realität. Menschen mit einer Psychose haben daher eine eigene Konstruktion der Welt, wie wir alle, die möglicherweise nicht vollständig mit der Wahrnehmung ihrer Mitmenschen übereinstimmt, wie wir alle. Es ist entscheidend, dieses Verständnis zu nutzen, um psychische Erkrankungen besser zu verstehen und die individuellen Fähigkeiten und Ressourcen der betroffenen Person anzuerkennen.

 

Wir alle konstruieren uns eine Sicht der Welt, die wir im Alltag oft mit dem verwechseln, was „eine Wirklichkeit an sich ist“. Oder wie Alfred Korzybski es einmal nannte: Die eigene Wahrnehmung mit der Realität zu verwechseln ist, als ob man in einem Restaurant die Speisekarte essen wolle.

 

Aber was macht hier den Unterschied? In der medizinischen Psychiatrie geht man davon aus, dass ein Mensch eine Krankheit HAT, dass er oder sie eine Psychose HAT. Dies impliziert, dass diese Krankheit etwas wäre, was sich innerhalb dieser Person befindet. Darauf basieren die anerkannten Behandlungsansätze. Da das Problem innerhalb der Person liegt, muss der Weg der „Heilung“ auch etwas sein, was „man in die Person hineintut“ – Medikamente in der Regel. Das ist sogar für viele leidende Menschen hilfreich.

 

In dem hier aufgeführten Ansatz wird davon ausgegangen, dass der oben erwähnte Realitätskonstruktionsprozess ständig und immer wieder neu passiert. Ähnlich wie bei Zellen, die immer wieder absterben und neu entstehen. Wie dieser Realitätskonstruktionsprozess stattfinden ist nun von meiner individuellen persönlichen Geschichte und meinen damit einhergehenden Erfahrungen abhängig. Wie habe ich im Laufe meiner Genese gelernt mit Stress umzugehen, mit negativen Erfahrungen, mit positiven Erfahrungen, mit Verlust, Trauer, Tod, welche Erfahrungen habe ich in der Beziehung zu anderen Menschen gemacht? Und noch unendlich wichtiger: Welche Lösungsstrategien habe ich für belastende Erlebnisse oder negative Gefühle entwickelt; möglicherweise Gefühle, die für mich kaum aushaltbar gewesen sind. Bin ich geflohen (körperlich oder mental), habe ich „den Kopf in den Sand gesteckt“, habe ich mich gewehrt und gekämpft (gegen irgendetwas, vielleicht sogar gegen mich selbst), wie habe ich dafür gesorgt, bestimmte Gefühle überhaupt aushalten zu können, oder gar mir bessere Gefühle zu machen? Diese Mechanismen sind wohl eher unbewusst, unwillkürlich abgelaufen. Das, was es mir ermöglichte, aus einer unhaltbaren Situation „auszubrechen“, habe ich in mein Verhaltensrepertoire aufgenommen, habe ich in meinen Realitätskonstruktionsprozess aufgenommen.

 

Daraus folgt (vielleicht), dass man nicht etwas „bekämpfen“ muss, was innerhalb einer Person als gegeben lokalisiert ist, sondern versucht, auf den Realitätskonstruktionsprozess einzuwirken. Leider macht dies den Umgang mit Menschen, die eine andere Sicht der Welt haben nicht unbedingt leichter, denn es kommt noch ein weiterer Aspekt dazu.

 

Da diese vermeintlich da draußen stattfindende Realität innerhalb eines Menschen konstruiert wird, enthält diese subjektive Welt auch mein soziales Bezugssystem. Und ebenso ist es mit der*dem Berater*in, Betreuer*in, Ärztin, Pädagoge*in auch. Also: Mein Blick auf meinen Klienten, entsteht völlig autonom aus meiner eigenen Realitätskonstruktion. Das, was ich da am Anderen „wahrnehme“, wie Gunther Schmidt sagt „wahrgebe“, ist lediglich meine Sicht der Dinge, so wie meine eigenen Konstruktionsprozesse funktionieren. Das kann viel mit meiner*m Klient*in zu haben, muss es aber nicht unbedingt.

 

Mir persönlich nimmt diese Sichtweise den Druck, den anderen verändern zu müssen, ja gar verändern zu können. Verändern kann ich lediglich meine eigene Wahrnehmung, meine eigene Bedeutungsgebung, meine Haltung – im besten Falle zu etwas, was zunächst mir selbst, und danach in der Beziehung zu meinem Klienten hilfreicher ist.

 

Kompetenzfokussierte Betreuung:

 

Ein wesentliches Merkmal solcher Realitätskonstruktionsprozesse besteht in der Fokussierung der Aufmerksamkeit. Dieser Prozess ist ein unwillkürlicher. Wir kennen dies vom sogenannten „Rote Ampeln Syndrom“. „Immer wenn ich hier vorbeifahre, ist diese Ampel rot.“ Ausgeblendet wurden möglicherweise die vielen grünen Ampeln, die ich passierte. Menschen mit einer ausgeprägten Psychose mit halluzinativen Elementen fokussieren oft derart stark auf unaushaltbare Aspekte ihres Lebens und ihrer Beziehungen, so dass für sie bestimmte extreme Wirklichkeitskonstruktionen subjektiv als bessere Lösungen erscheinen. Wir als Betreuer*innen sollten demütig dafür sein, was für negatives Erleben in einem Menschen sein muss, dass dieser mit einer anderen Realitätskostruktion reagiert. Vielleicht ist das, was uns als so extrem von außen erscheint, die beste Lösung, um halbwegs emotional überleben zu können, um nicht seine persönliche Identifikation zu verlieren, seinen Selbstwert.

 

Die kompetenzfokussierte Betreuung stellt die Stärken, Ressourcen und Fähigkeiten der betroffenen Person in den Mittelpunkt. Statt sich auf Defizite und Einschränkungen zu konzentrieren, wird der Fokus auf die Förderung der individuellen Kompetenzen gelegt. Dieser Ansatz basiert auf der Überzeugung, dass jeder Mensch über innere Ressourcen verfügt, die ihm helfen können, mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen. Ein Mensch in einer akuten psychotischen Phase fokussiert seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Teile seiner selbst, auf bestimmte Teile seines vermeintlichen Umfeldes. Dies verstärkt sein psychotisches Erleben möglicherweise. Ein wichtiger Aspekt dabei ist zu erkennen, dass Menschen Symptome entwickeln und zeigen, weil sie versuchen, fehlende Bedürfnisse zu erfüllen. Diese Symptome sind letztendlich Lösungsversuche, die jedoch oft einen hohen Preis haben.

 

Da wir viele unserer Betreuten oft sehr lange betreuen, können wir möglicherweise auch einschätzen, über welche Ressourcen, Stärken und Fähigkeiten dieser Mensch verfügt, aber diese aktuell nicht abrufen kann. Da wir immer aufpassen müssen, jemanden nicht unsere eigenen mutmaßlichen Lösungen aufzuoktroyieren, sollten wir stattdessen „Realitätenkellner“ (Gunther Schmidt) werden. Bescheidene Möglichkeiten äußern, aber die Wahl stets den Betreuten überlassen, egal wie diese ausfällt. Die sogenannte „Gewaltfreie Kommunikation (GFK)“ bietet hierfür einen großen Fundus an kommunikativen Möglichkeiten.

 

Und letztendlich: Oft muss nichts verändert werden; oft gibt es keine umsetzbaren Lösungen. Dann kann ich immer noch akzeptieren, dass dieser Mensch jetzt so ist, wie er oder sie ist, und dass das tatsächlich „gut“ so ist. Demut heißt an dieser Stelle, dass ich nicht wissen kann, ob alle Alternativen zu diesem psychotischen Erleben noch deutlich schlimmer sein könnten.

 

Der Verzicht auf Zwangsmaßnahmen:

 

Zentral für eine kompetenzfokussierte Betreuung ist der Verzicht auf den eigenen Wahn, man könne die anderen Menschen willkürlich verändern. Kontrolle ist eine fundamentale Illusion. Solange wir zu Menschen in einer akuten psychotischen Situation noch halbwegs eine Beziehung erhalten können, solange kann versucht werden, gemeinsam mit ihr Lösungen zu finden, die ihre Autonomie respektieren. Lösungen, bei denen ausschließlich diese Person entscheidet, ob es gangbare Lösungen sind oder nicht. Lösungen, die uns selbst einfallen, sind oft nicht passend. Möchte man den letzten Rest Beziehung zu einer solchen Person zielsicher zerstören, macht man dies, indem man selbst besser weiss, was für diese Person gut ist, oder nicht.

 

Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass in bestimmten Situationen, in denen eine starke Gefährdung für sich selbst oder andere besteht, Zwangsmaßnahmen bedauerlicherweise erforderlich sein können. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn jemand akut selbst- oder fremdgefährdend handelt und alle anderen Interventionsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. In solchen Situationen steht das Wohl und die Sicherheit aller Beteiligten im Vordergrund, und es kann notwendig sein, vorübergehend Zwangsmaßnahmen einzusetzen, um Schaden abzuwenden.

 

Dennoch sollten Zwangsmaßnahmen immer als letztes Mittel betrachtet werden. Die betreuende Person sollte bestrebt sein, alternative Möglichkeiten zur Deeskalation und zur Förderung der Selbstbestimmung zu finden. Durch eine einfühlsame und respektvolle Kommunikation, den Aufbau von Vertrauen und die Stärkung der Selbstbestimmung kann eine Atmosphäre geschaffen werden, in der Zwangsmaßnahmen vermieden werden können. Es ist von großer Bedeutung, dass die betreuende Person die Perspektive des Betroffenen einnimmt und gemeinsam mit ihm nach Lösungen sucht, die seinen individuellen Bedürfnissen und Wünschen gerecht werden.

 

Und auch wenn Zwangsmaßnahmen stattgefunden haben, zeigt sich die Stärke einer vertrauensvollen Beziehung nach einer solchen Maßnahme noch viel mehr. So durfte ich schon in meiner Berufspraxis erleben, dass eine Betreute nach solch einer Zwangsmaßnahme sogar eine noch größere Vertrauensbasis zu mir hatte als zuvor. (Anmerkung: Zwangsmaßnahmen werden grundsätzlich nicht von gesetzlichen Betreuer*innen entschieden, sondern stets durch eine Richterin oder einen Richter. Betreuer*innen sind aber oft an der Umsetzung eines solchen Beschlusses beteiligt.)

 

Eine Ethik, die von innen heraus handeln lässt:

 

Heinz von Foerster betont die Unterscheidung zwischen Ethik und Moral. Eine Ethik, die sich aussprechen lässt, sei laut von Foerster keine echte Ethik, sondern Moral. Moral fordert von außen bestimmtes Verhalten, während Ethik aus einem inneren Antrieb heraus richtig Handeln lässt. Dieser Ansatz lässt sich auch auf die Betreuung von Menschen mit einer Psychose übertragen. Anstatt starre moralische Vorgaben zu befolgen, sollten wir als gesetzliche Betreuer eine Ethik praktizieren, die von einer tiefen inneren Überzeugung und dem Respekt vor der individuellen Kompetenz und Würde der betroffenen Person geleitet wird.

 

Der Schlüssel zu einer solchen Ethik liegt in der Schaffung eines unterstützenden und vertrauensvollen Umfelds. Es ist wichtig, dass wir als Betreuer eine respektvolle Haltung einnehmen und die betroffene Person als kompetente und eigenständige Persönlichkeit betrachten. Indem wir ihre individuellen Stärken und Fähigkeiten erkennen und fördern, können wir dazu beitragen, dass sie ihr volles Potenzial entfalten kann.

 

Ethik kann aber vor allem als das verstanden werden, was Heinz von Foerster die „Kybernetik 2. Ordnung“ nannte, oder anders ausgedrückt, wir beziehen die Beobachtung 2. Ordnung mit ein. Wir machen uns bewusst, was weiter oben schon beschrieben wurde: Das, was ich bei meinen Klienten sehe, ist nicht direkt mein Klient selbst, sondern mein Bild von ihm. Humberto Maturana schrieb schon: „Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt.“ Dies macht uns deutlich freier im Umgang mit Menschen allgemein, mit unseren Klient*innen und auch mit Menschen in einer psychotischen Krise. Ich kann anerkennen, dass die Welt für mein Gegenüber so ist, wie er oder sie sie mir beschreibt. Und sei sie für mich auch noch so „abstrus“. Ich kann aber auch ohne verletzend zu sein vermitteln, dass diese Welt für mich sehr anders ist als für diesen Menschen. Ich persönlich habe mit diesem Ansatz in der Praxis sehr gut Erfahrungen gemacht. Ich muss niemanden davon überzeugen, dass dessen „Stimmen“ doch nicht real sind. Ich muss niemanden überzeugen, dass er oder sie doch überhaupt nicht „von einem Geheimdienst verfolgt wird“. Das hat gute Auswirkungen auf die Beziehung. Dennoch erlaube ich mir immer, und dies kommuniziere ich auch transparent, dass „die Welt für mich anders ist“.

 

Überhaupt sollten Betreuer*innen grundsätzlich alles, was sie tun und was sie planen, transparent kommunizieren. Strategisches und intransparentes Handeln, um den oder die Klientin irgendwo hinzubringen, von dem ich meine, dass es gut für sie wäre, ist immer schlimmer als dumm. Nicht nur, dass ein solches Handeln voraussetzt, dass ich besser wüsste, was für Klient*innen gut ist, oder nicht, es führt (berechtigterweise) langfristig auch immer zu nicht zieldienlicher Beziehungsgestaltung.

 

Netzwerke

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt der kompetenzfokussierten Betreuung ist die Zusammenarbeit mit anderen Fachleuten und Unterstützungssystemen. Alle eingebundenen Hilfeleistungen sind ebenso als Ressourcen und Fähigkeiten zu verstehen. Sie sind Teil des inneren und äußeren Kontextes der Klienten und bieten im besten Falle kontinuierliche und voraussagbare Kommunikation für ebendiesen. Als gesetzliche Betreuer haben wir jedoch eine besondere Position, die uns ermöglicht, aus der Perspektive der betreuten Person herauszuhandeln. Wir sehen die Welt durch ihre "Augen" und orientieren uns an ihren potenziellen Wünschen und Bedürfnissen, auch wenn diese nicht direkt ausgesprochen werden können.

 

In der Zusammenarbeit mit anderen sozialen Dienstleistern nehmen wir daher eine Sonderstellung ein. Unsere Aufgabe ist es, die Interessen und das Wohl der betreuten Person zu vertreten und sicherzustellen, dass ihre Stimme gehört wird. Wir agieren als Bindeglied zwischen verschiedenen Fachleuten und Unterstützungssystemen, um ganzheitliche Lösungen zu entwickeln, die den individuellen Bedürfnissen gerecht werden.

 

Bei der Entscheidungsfindung ist es von großer Bedeutung, dass wir die betroffene Person aktiv einbeziehen. Auch wenn sie möglicherweise nicht in der Lage ist, ihre Wünsche direkt zu äußern, bemühen wir uns, ihre Präferenzen und Vorlieben zu verstehen und in unsere Handlungsmaxime zu integrieren. Wir arbeiten eng mit anderen Fachleuten zusammen, um ein umfassendes Verständnis der Situation zu erlangen und gemeinsam die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.

 

Durch diese kooperative und integrative Herangehensweise können wir sicherstellen, dass die betreute Person bestmöglich unterstützt wird und ihre individuellen Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Es ist unser Ziel, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und die Entscheidungen in enger Abstimmung mit allen Beteiligten zu treffen, um das Wohl und die Autonomie der betroffenen Person zu fördern, wohlwissend, dass Klient*innen am Ende ausschließlich ihre eigenen Entscheidungen treffen – egal ob wir Hilfeleister dieselben Entscheidungen getroffen hätten, oder nicht.

 

Als gesetzliche Betreuer*innen handeln wir so, wie die betreute Person handeln würde, könnte sie über alle ihre Ressourcen und Kompetenzen verfügen. Über unsere Netzwerkarbeit versuchen wir einen bestmöglichen wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Kontext für unsere Betreuten bereit zu stellen. Innerhalb dieses Kontextes handelt unsere betreute Person völlig autonom.

 

Zusammenfassung

 

Es ist wichtig zu betonen, dass die kompetenzfokussierte Betreuung nicht bedeutet, die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die eine Psychose mit sich bringen kann, zu ignorieren. Vielmehr geht es darum, die Ressourcen und Stärken der betroffenen Person zu erkennen und diese gezielt zu unterstützen. Dabei können verschiedene Ansätze und Techniken aus der Psychotherapie und der sozialen Arbeit hilfreich sein, wie zum Beispiel die Förderung von Selbsthilfestrategien, ressourcenorientierte Gesprächsführung oder die Einbeziehung von Unterstützungsnetzwerken.

 

Eine ethische Betreuung, die sich an Heinz von Foerster orientiert, erkennt die Subjektivität der Wahrnehmung und den individuellen Konstruktionsprozess jeder Person an. Es geht darum, Vorurteile und Stigmatisierung abzubauen und die betroffene Person in ihrer Selbstbestimmung zu stärken. Dies erfordert ein Umdenken in der Gesellschaft, weg von einer pathologisierenden Sichtweise hin zu einer respektvollen und inklusiven Haltung.

 

Abschließend lässt sich festhalten, dass die kompetenzfokussierte Betreuung bei Menschen mit einer Psychose ein effektiver Weg ist, um Zwangsmaßnahmen zu vermeiden, da wo möglich. Durch die Anerkennung der individuellen Kompetenzen und Ressourcen sowie die Schaffung eines unterstützenden Netzwerks kann eine Betreuung ermöglicht werden, die auf Respekt, Autonomie und Würde basiert. Eine Ethik, die sich von innen heraus entwickelt und von Heinz von Foerster inspiriert ist, eröffnet neue Perspektiven und Chancen für eine inklusive und menschenwürdige Gesellschaft. Es ist an der Zeit, dass wir unsere Betreuungspraktiken entsprechend anpassen und Menschen mit einer Psychose in ihrer individuellen Kompetenzentwicklung unterstützen.

 

Literatur:

 

Gunther Schmidt − Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung - https://www.carl-auer.de/einfuhrung-in-die-hypnosystemische-therapie-und-beratung

 

Heinz von Foerster, Monika Bröcker − Teil der Welt - https://www.carl-auer.de/teil-der-welt

 

Heinz von Foerster, Bernhard Pörksen − Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners - https://www.carl-auer.de/wahrheit-ist-die-erfindung-eines-lugners

 

Fritz B. Simon − Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus - https://www.carl-auer.de/einfuhrung-in-systemtheorie-und-konstruktivismus

 

Fritz B. Simon − Meine Psychose, mein Fahrrad und ich - https://www.carl-auer.de/meine-psychose-mein-fahrrad-und-ich

 

Jürgen Ruesch, Gregory Bateson – Kommunikation, DIE SOZIALE MATRIX DER PSYCHIATRIE - https://www.carl-auer.de/kommunikation

 

Humberto R. Maturana, Francisco J. Varela - Der Baum der Erkenntnis - https://www.fischerverlage.de/buch/humberto-r-maturana-francisco-j-varela-der-baum-der-erkenntnis-9783596178551

 

Andreas Kollar – Nur die Lumpe sind bescheiden, EINE AUTOBIOGRAFIE DER HEIDELBERGER SYSTEMISCHEN GRUPPE - https://www.carl-auer.de/nur-die-lumpe-sind-bescheiden

Kategorien

    Vorheriger Artikel: Der Markt regelt das

    Kommentare