Quantenmechanik und Esoterik
Bezugnehmend auf einen sehr empfehlenswerten Artikel auf zeitgeist-online.de, reizt es mich trotz, oder gerade wegen der Begeisterung für dieses Thema, eigene kritische Anmerkungen zu schreiben. Wir werden in den nächsten Zeilen bemerken, ob und wie gut mir dies gelingt. Die Quantenmechanik ist mittlerweile zur neuen Esoterik mutiert. Sie ist in aller Munde und wird für jegliches Anliegen “missbraucht”. Die aktuelle Wissenschaft, wenn es diese denn überhaupt gib (bei all den unterschiedlichen, bis gegensätzlichen Meinungen) scheint bis zu einem gewissen Grade blockiert zu sein.
Dies betrifft nicht die pragmatischen Erfolge in der Entwicklung von Technik: Computer, Laser, LCD und LED, u.v.m, welche unbestreitbar vorhanden sind. Dennoch ist dies kein Grund, Wissenschaft zu verabsolutieren, geschweige denn davon auszugehen, dass Wissenschaft in der Lage wäre, Wirklichkeit zu erkennen oder abzubilden. Der pragmatische Erfolg lässt erkenntnistheoretisch lediglich die Aussage zu, dass wir ein wissenschaftliches Modell als zweckdienlich, innerhalb eines bestimmten Kontextes begreifen dürfen – nicht mehr und nicht weniger.
Die Quantenmechanik, wenn es diese denn überhaupt gibt (bei all den unterschiedlichen Interpretationen) ist eine Erfolgsstory. Wie Harald Lesch gerne betont, ist die Quantenmechanik ein Modell, welches uns die genauesten Vorhersagen in der Experimentalphysik gibt, die wir je hatten. Damit ist allerdings keinerlei Aussage über den Wirklichkeitsgehalt dieser Theorie postuliert, sondern lediglich, dass sie innerhalb eines bestimmten Kontextes „funktioniert“: Sie ist viabel – innerhalb gewisser Grenzen. Alles andere ist Spekulation, ist Interpretation! Um nicht zu sagen, Kopenhagener Interpretation.
Im Alltag hat die Quantenmechanik für uns im Grunde genommen kaum eine Relevanz. Auf einer abstrakt-philosophischen Ebene kann es durchaus interessant sein, quantenmechanische Überlegungen auf Alltagssituationen anzuwenden. Wir bewegen uns dann im metaphorischen Raum und Metaphern sind erprobtes Mittel im Rahmen von Therapie und Beratung. Warum hat die Quantenmechanik im Alltag kaum eine Relevanz? Weil es diese postulierten „Quantenzustände“ in unserer Welt nicht gibt!
Das als Dekohärenz bezeichnete Phänomen beschreibt, wie ein Quantenzustand „zusammenbricht“. Damit ist gemeint, dass auf einer theoretischen Quantenebene ein Möglichkeitsraum besteht – also jedes Teilchen kann jede mögliche Geschichte durchlaufen, jeden möglichen Zustand annehmen (vergl. Richard Feynman) und in dem Moment, indem dieses „Teilchen“ mit irgendetwas anderem interagiert (z.B. beobachtet wird), reduzieren diese unendlichen Wahrscheinlichkeiten, zu einer einzigen konkreten “Wirklichkeit”. Also dass, was wir als Materie “empfinden”, entsteht erst während dieser Beobachtung. Das heißt, dass wir über den Zustand vor der Beobachtung keinerlei Aussagen machen können.
Die Quantenmechanik ist somit eine statistische Wissenschaft und trifft in dem Sinne keine Aussagen über „Wirklichkeit“ an sich. Die „Zustände“ vor der Dekohärenz lassen sich statistisch mit einer sehr guten Genauigkeit vorhersagen. Dies ist Vergleichbar mit einer statistischen Untersuchung darüber, wie viele Äpfel von einer Bevölkerung voraussichtlich 2013 konsumiert werden. Man kann damit recht gute Vorhersagen treffen, diese jedoch nicht nutzen, um eine Vorhersage über einen einzelnen Menschen bezüglich dessen Apfelkonsum in 2013 zu tätigen.
Soviel zur Quantenmechanik. Überhaupt, wie sieht es mit unserer allgemeinen Erkenntnisfähigkeit aus? Die Gehirnforschung bestätigt seit Jahrzehnten die Annahmen des unbeliebten radikalen Konstruktivismus. D.h. unser Gehirn, also wir selber (ich weiß nicht warum diese Unterscheidung immer getroffen wird) sind nicht in der Lage die sogenannte Wirklichkeit „an sich“ wahrzunehmen, bzw. wir haben keinerlei Möglichkeit zu überprüfen, ob das was wir da wahrnehmen halbwegs mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Dies habe ich an anderer Stelle ausführlicher diskutiert. Aber worüber reden wir dann, wenn wir solche Modelle wie die Quantenmechanik diskutieren? Wir sprechen über Modelle, über mentale Landkarten. Und Landkarten bilden grundsätzlich nur Aspekte von Wirklichkeit ab. Würde eine Landkarte eine/die Welt in ihrer Gesamtheit abbilden, müsste diese Landkarte auch ganz genauso groß, wie die zu beschreibende Welt sein. Das würde eine Landkarte sehr unpraktisch machen, da ich diese nicht mehr in der Tasche mitnehmen könnte. Eine Landkarte muss nicht die “Wirklichkeit” abbilden, sondern sie muss im Rahmen meiner jeweiligen Zwecke zieldienlich sein.
Kommen wir aber z.B. zum verlinkten Artikel: ich ärgere mich immer wieder über gewisse kritische Argumentationslinien gegen die sogenannte Wissenschaft , unter Berufung auf eben diese Wissenschaft. D.h. man argumentiert mittels einer bestimmten wissenschaftlichen Ausrichtung, gegen die andere. Also kann es „die Wissenschaft“ gar nicht geben, sondern es gibt unterschiedliche Modelle, Annahmen und „Richtungen“, die in der Regel auch noch von unterschiedlichen Rahmenbedingungen ausgehen, bzw. auf verschiedenen Axiomen aufbauen. Damit ist eine unmittelbare Vergleichbarkeit in der Regel nicht gegeben.
Dies ist auch nicht sonderlich schlimm, denn eine solche Vergleichbarkeit braucht generell nicht gegeben sein (weil z.B. unterschiedliche Gehirne beteiligt sind). Jedoch muss (kann) diese Unvergleichbarkeit selbst diskutiert, kenntlich gemacht und miteinbezogen werden. Dann hätte man zumindest eine Chance, nicht nur über verschiedene Meinungen zu sprechen. Denn wie u.a. auch die Quantenmechaniker betonen: Der Beobachter ist Teil des Systems welches er beobachtet! Der Beobachter beeinflusst durch den Akt der Beobachtung genau das, was er da Beobachtet!
Die Lösung vieler drängender Probleme scheitert vor allem an der Tatsache, dass die Gesellschaft immer noch in der mittelalterlichen Vorstellung lebt und handelt, die Natur und das Leben würde einer linearen, mechanistischen Logik folgen.
Dies ist meines Erachtens tatsächlich der größte Irrtum, aber auch die typische wissenschaftliche Arroganz, welche neue Denkweisen behindert. Dies hängt eng mit dem Glauben an eine rein materielle Wirklichkeit zusammen und damit verknüpft, die fast schon an Verzweiflung grenzende Hoffnung, alle relevanten Fragen ließen sich durch relativ einfach Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge beschreiben.
Die Erkenntnisse der Quantenphysik offenbaren eine völlig andere Sichtweise. Deren Kern hat Albert Einstein einmal sehr zutreffend so beschrieben: “Alles im Universum hängt mit allem zusammen”.
Eine Aussage, die das im vorherigen Absatz Erläuterte unterstreicht. Aber: man darf hier nicht verschweigen, dass selbst Einstein einer derjenigen war, die bis zum Ende auf „einfache“ Kausalzusammenhänge gehofft hatten. Dazu passt der berühmte Briefwechsel mit Niels Bohr, hier lediglich sinngemäß: Einstein: „Ich kann das nicht akzeptieren. Gott würfelt nicht!“ Bohr: „Welch Arroganz zu behaupten, Sie wüssten was Gott tut oder nicht tut!
Auf der Ebene der subatomaren Teilchen findet im gesamten Universum ein ständiger Austausch von Informationen statt; sie sind in der Lage, unvorstellbar große Informationsmengen zu speichern, das heißt, das Universum hat ein Gedächtnis!
Erkenntnistheoretisch gibt es „da Draußen“ keinerlei Informationen, denn Informationen entstehen erst im Gehirn. Ich gehe da mit Hans-Peter Dürr, dass das absolut kleinste anzunehmende Teilchen ausschließlich „ein WIRK“ sein kann, wobei ein Wirk grundsätzlich einer Beziehung entspricht. Noch drastischer drückt es Heinz von Foerster aus: „Immer wenn die Physiker eine Lücke in ihrer Theorie haben, postulieren diese ein „Teilchen“ welches diese Lücke schließt!“ Und noch weiter mit Gregory Bateson gehend: “Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht!” Ich widerspreche grundsätzlichn auch nicht solchen Aussagen, wie
Mit jedem Atemzug saugen wir Abermilliarden Quanten aus dem Universum in uns hinein. Bewusstes Atmen ist also sehr viel mehr als nur ein intensiveres Aufnehmen von Sauerstoff.
“Aber eigentlich” (eine der Lieblingsformulierungen meiner fünfjährigen Tochter) nehmen wir keine Quanten auf, da diese über Wechselwirkung, also Dekohärenz, ihre Quantennatur bereits aufgegeben haben.
Von zukunftsweisender Bedeutung ist dabei, dass Charon im Laufe seiner Forschungsarbeit erkannt hat, dass Elektronen über eine eigene Raum-Zeit verfügen und somit eine informationsspeichernde Funktion besitzen.
Harald Lesch betont an verschiedenen Stellen, was unter Wissenschaftlichkeit zu verstehen ist. Er geht da nach wie vor mit Popper, dass Wissenschaft letztendlich nichts beweisen kann. Wissenschaft kann nicht verifizieren, sondern nur falsifizieren. Dementsprechend finden bestimmte Modelle keine Anerkennung in der sogenannten Wissenschaft, nicht weil diese nicht ins gängige Bild passen, sondern weil sie nicht falsifizierbar sind. So auch die These, dass Elektronen eine eigene Raum-Zeit besitzen. Sehr faszinierend, aber ohne mich in diese Thematik mehr eingelesen zu haben, befürchte ich, dass es zurzeit keinerlei Experiment geben könnte, um diese These zu falsifizieren. Noch viel mehr ärgert mich dann, wenn ich lesen muss, das vorher getroffene Aussagen völlig aufgehoben werden:
Das Wort “geschlossen” bedeutet, dass Elektronen über ein eigenes, vom äußeren Kosmos – dem Raum der Materie – völlig unabhängiges Mikro-Universum (Raum der Informationen/des Geistes) verfügen. Charon schließt daraus, dass…..
Denn weiter oben wurde doch betont, dass alles mit allem zusammenhängt, oder? Vielleicht noch einige Anmerkungen zu einzelnen Aussagen:
… der instantane bzw. synchrone Informationsaustausch aller Elektronen im gesamten Universum in jedem Augenblick. Dies bedeutet, dass alle Elektronen zu jedem Zeitpunkt einen identischen Speicherinhalt aufweisen.
Die Schwierigkeit, mit dem Begriff der Information umzugehen, habe ich schon weiter oben erläutert. Solche Aussagen sollten jedoch konkretisiert werden, woraus denn diese angenommene Information besteht. In der Quantenphysik sind hierbei meist die aus dem Pauliprinzip stammenden Spins gemeint. Beschrieben und durchaus auch schon pragmatisch benutzt, z.B. in den Forschungen zur Verschränkung.
… die Unzerstörbarkeit der Elektronen. Dies bedeutet, dass jedes einzelne im Universum existierende Elektron seit seiner Entstehung, also wahrscheinlich nach dem Urknall vor etwa 15 Milliarden Jahren, alle in dieser Zeit angefallenen Informationen gespeichert hat.
Eine gewagte These wenn man bedenkt dass a) unsere derzeitigen Theorien sozusagen nicht bis zum Urknall schauen können, sondern lediglich ein Universum bis ca. 400000 Jahre nach dem Urknall beschreiben, denn b) in dieser ersten Zeit nach dem Urknall, scheinen unsere vier Grundkräfte noch nicht voneinander getrennt gewesen zu sein. Diese haben sich möglicherweise in der Zeit der Abkühlung des Universums unmittelbar nach dem Urknall, Stück für Stück voneinander getrennt( 1. die schwache Kraft, 2. die starke Kraft, 3. die elektromagnetische Kraft, 4. die gravitative Kraft).
Nun höre ich trotz meines Spasses auf, den verlinkten Artikel weiter zu kritisieren. Auch wenn es so aussehen mag, dass ich die Inhalte dieses Artikels „kaputt machen“ will, ist dem gar nicht so. Ganz im Gegenteil, teile ich die meisten der dort getätigten Schlussfolgerungen und auch die Kritik an der allgemeinen sogenannten Wissenschaft. Vor allem begrüße ich, dass sogenannte „Nicht-Wissenschaftler“, wie ich einer bin, sich mit diesen Themen auseinandersetzen und dadurch irgendwann einmal (steter Tropfen höhlt den Stein) die Wissenschaften befruchten (naiv, oder?). Einer der Schwierigkeiten unserer Wissenschaft ist das Denken in grundsätzlich materiellen Begrifflichkeiten und die Weigerung, anders geartete Modelle miteinzubeziehen.
Verständlich ist dies vor allen, da andere, nicht materialistische Denkweisen, nicht in der Art quantifizierbar sind, wie es die “Wissenschaft” gerne hätte. Der zweite Aspekt ist dabei eher ein soziales Phänomen, dass diese nicht materiellen Denkweisen sehr häufig für die zuweilen abstrusen esoterischen Gedankengebäude missbraucht werden. Deshalb müssen wir „Laienwissenschaftler“ und „Hobbyphilosophen“ viel mehr aufpassen, womit und wie wir argumentieren.